Internationale Steuer Trends aus München am 20.08.2023:

 

Betriebsstätten im Inland für Dienstleistungsunternehmen

 

Der BFH definiert das Vorhandensein von steuerpflichtigen Betriebsstätten im Inland für Dienstleistungsunternehmen so extensiv, dass kaum Raum für ausländische Dienstleister - wie z.B. für alle Beratungsunternehmen mit dauerhafter Präsenz beim Kunden - bleibt, eine inländische Besteuerung zu vermeiden. Die Leitsätze des BFH Urteils (I R 47-20) vom 07.06.2023 lauten:

 

1. Nach ständiger Rechtsprechung setzt die Annahme einer Betriebsstätte gemäß § 12 Satz 1 der Abgabenordnung eine Geschäftseinrichtung oder Anlage mit einer festen Beziehung zur Erdoberfläche voraus, die von einer gewissen Dauer ist, der Tätigkeit des Unternehmens dient und über die der Steuerpflichtige eine nicht nur vorübergehende Verfügungsmacht hat. Es geht darum, dass die eigene unternehmerische Tätigkeit mit fester örtlicher Bindung ausgeübt wird ("Verwurzelung" des Unternehmens mit dem Ort der Ausübung der unternehmerischen Tätigkeit).

2. Diesen Anforderungen, die auch für den abkommensrechtlichen Begriff der Betriebsstätte/festen Einrichtung (hier: DBA-Großbritannien 1964/1970 und 2010) prägend sind, wird entsprochen, wenn dem Dienstleistenden (hier: Flugzeugmechaniker/-ingenieur) im Zusammenhang mit der Erbringung der Dienstleistung (hier: Wartungsarbeiten an Flugzeugen) personenbeschränkte Nutzungsstrukturen an ortsbezogenen Geschäftseinrichtungen (hier: Spind und Schließfach in Gemeinschaftsräumen auf dem Flughafengelände) zur Verfügung gestellt werden.

 

Im entschiedenen Fall übte der inländische Kläger (selbständiger Flugzeugmechaniker, "Freelancer" Subunternehmer der Y Ltd. UK)) seine Tätigkeit auf dem Flughafengelände der A GmbH aus. Für die im Auftrag der Y Ltd. tätigen Ingenieure und Mechaniker ("Freelancer") waren auf diesem Gelände Umkleide-, Verwaltungs- und Gemeinschaftsflächen vorhanden. Die Freelancer hatten unter anderem einen verschließbaren Spind, um ihre Kleidung aufzubewahren (auf der Spindtür war ein Schild mit dem jeweiligen Namen des Mitarbeiters und der Y Ltd. angebracht). Die Dokumentation der am Flugzeug durchgeführten Arbeiten (mit Unterschrift und Stempel) erfolgte im sogenannten Log-Buch des Flugzeugs in einem mit Computern ausgestatteten Raum der Y Ltd. neben dem Hangar. In diesem Raum hatte jeder Mitarbeiter ein mit seinem Namen und dem Namen der Y Ltd. beschriftetes Schließfach, in dem er persönliche Gegenstände wie Handy, Schlüssel, Geld et cetera aufbewahren konnte. Am Eingang des Gebäudes mussten sich die Mitarbeiter einer Sicherheitskontrolle unterziehen, anschließend konnten sie sich in dem Gebäude frei bewegen. Der Kläger war Inhaber eines Sicherheitsausweises für den Flughafen. Der Zutritt war unabhängig von der schichtplanorganisierten Einteilung zum Dienst technisch möglich. Die für die Y Ltd. tätigen Mitarbeiter buchten sich bei Arbeitsbeginn und -ende im Zeiterfassungssystem der A GmbH ein und aus. Die Y Ltd. erstellte ihre Rechnungen an die A GmbH anhand der Arbeitszeiten, die ihr von der A GmbH mitgeteilt worden waren.

 

Der Kläger (Freelancer) sah seine Einkünfte von der Y Ltd. als in Deutschland steuerfreie UK Einkünfte an, da er keine feste Geschäftseinrichtung (Betriebsstätte) in Deutschland unterhielt. Wenn dann könne nur die Y Ltd. eine Betriebsstätet haben, da er selbst keine Verfügungsmacht über irgendwelche Räumlichkeiten hatte.

 

Der BFH widersprach dieser nachvollziehbaren Ansicht:

 

Eine Verfügungsmacht des Klägers im Sinne einer Nutzungsmöglichkeit über die im Zusammenhang mit der Leistungserbringung unerlässlichen Räumlichkeiten (Hangar, Computerraum, Verwaltungs-/Aufenthalts- und Umkleideraum) hat jedenfalls mittelbar (und abgeleitet aus der Vereinbarung zwischen der A GmbH und der Y Ltd. und darauf aufbauend aus der "Freelancer-Vereinbarung" ) als unabdingbare Voraussetzung seiner Tätigkeit bestanden; dass die Verfügungsmacht keine alleinige war und dass sie hätte entzogen werden können (auch durch Umstände des Hauptauftragsverhältnisses veranlasst, auf die der Kläger keinen Einfluss hatte), beeinträchtigt seine Position für die Dauer der noch nicht aufgekündigten Vereinbarung (auch wenn nur das Betreten zur Leistungserbringung gestattet sein sollte) ebenso wenig wie eine (fremde) Sicherheitskontrolle beim Betreten des Geländes. Darüber hinaus fehlt es im Streitfall auch nicht an der durch die Überlassung personenbeschränkter Nutzungsstrukturen bei Geschäftseinrichtungen (Spind und Schließfach) vermittelten ortsbezogenen "Verwurzelung" des Unternehmens des Klägers mit dieser Örtlichkeit.